Kommt das Bestellerprinzip? Welche Risiken birgt es? Welche Chancen eröffnet es? Gibt es Alternativen? Der Status Quo des Bestellerprinzips enthält zahlreiche Fragezeichen. Lesen Sie hier die Einschätzung des ehemaligen Bundesgeschäftsführers des IVD und Branchenexperten Sven Johns.
ImmobilienScout24: Die Maklercourtage beruht auf über 100 Jahre alten, uneindeutigen Regeln im Bürgerlichen Gesetzbuch und richtet sich nach regionalen Gepflogenheiten und marktüblichen Sätzen – dass hier eine allgemeingeltende Regelung hermuss, liegt auf der Hand. Wie wahrscheinlich ist Ihrer Meinung nach das Inkrafttreten des Bestellerprinzips?
Johns: Zunächst stellt sich die Frage, warum nach 100 Jahren einer funktionierenden Marktregel eine allgemein geltende Regelung vom Gesetzgeber getroffen werden muss. Ich sehe das anders. Die heutige Regelung erlaubt in strukturschwachen Regionen die Vereinbarung einer reinen Verkäuferprovision und in Regionen mit einer höheren Nachfrage die Vereinbarung einer Käuferprovision. In ausgeglichenen Märkten wird vielfach eine geteilte Provision zwischen Verkäufer und Kaufinteressenten vereinbart.
Die Frage ist doch vielmehr, ob der Gesetzgeber die bisherige Position des Immobilienmaklers als Mittler zwischen den beiden Vertragsparteien aufgeben und stattdessen eine einseitige Interessenvertretung der Verkäuferinteressen einführen will? Auch dazu sehe ich keinen Anlass. Stattdessen könnte nach dem Vorbild der europaweiten Norm DIN EN 15733 verpflichtend eingeführt werden, dass der Immobilienmakler seinen Kunden offen legen muss, für welche Seite sie/er tätig wird. Diese generelle Offenlegungspflicht ist nach dem heutigen § 654 BGB nur eingeschränkt gegeben. In der Entscheidung für eine Partei würde zugleich die Festlegung des Immobilienmaklers liegen, von wem dieser bezahlt wird.
Der vorgelegte Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium stellt sich diese Frage nicht. Deshalb ist der Regelungsansatz schon einmal grundlegend fragwürdig.
Zur Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Inkrafttretens dieses Entwurfs lässt sich aus Sicht vom Juli 2019 sagen: Die neue Hausleitung des Bundesjustizministeriums muss festlegen, ob der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form weiterverfolgt werden soll oder nicht. Es hat viele kritische Stimmen aus anderen Ressorts und den anderen Parteien gegeben, weshalb der Fortbestand nicht klar ist. Der politische Wille, die Maklerprovision auch beim Verkauf von Immobilien zu regeln, scheint jedenfalls weiterhin vorhanden zu sein.
ImmobilienScout24: Der Vorschlag der SPD bzw. von Frau Barley ist also der richtige Ansatz und geht in die richtige Richtung? Wie schätzen Sie den Vorschlag aus dem Justizministerium ein?
Johns: Der Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium geht nur in einem Punkt in die richtige Richtung. Dort wird in Zukunft die Textform für den Maklervertrag vorgesehen. Im Verhältnis zwischen Eigentümer und Immobilienmakler könnte man sogar noch einen Schritt weitergehen und die Schriftform dieses Vertrages verankern. Das wäre ein großer Fortschritt für klare Verhältnisse am Immobilienmarkt. Wer darf eine Immobilie anbieten? Wer hat einen Provisionsanspruch? Nur derjenige Immobilienmakler, der einen schriftlichen Vertrag mit dem Eigentümer oder Auftraggeber hat.
Die Politik vergisst völlig, dass die Immobiliensuche immer eine Reaktion auf einen Umzugswunsch ist. Dieser Umzug findet sehr oft statt, weil ein Arbeitsplatzwechsel ansteht, aufgrund einer Scheidung oder Erbschaft oder aus sonstigen für die betroffenen Menschen sehr wichtigen Gründen erforderlich wird. Die Immobilie liegt dabei oft nicht direkt nebenan, sondern hunderte von Kilometern entfernt. Eine Familie, die aus Berlin nach Süddeutschland in die Region der Weltmarktführer zieht, muss doch einen Immobilienmakler mit der Suche nach einem Haus beauftragen und dafür bezahlen können, wenn sie es sich leichter machen wollen mit der Immobiliensuche. Warum soll in diesem Fall der Immobilienmakler, der gute Kontakte in der Region hat und deshalb viele Immobilien zum Verkauf von Eigentümern vor Ort im Auftrag hat, keine Provision vom auswärtigen Kaufinteressenten, für den dieser alles erledigt, nehmen können? Das kann niemand wirklich erklären.
Im aktuellen Gesetzentwurf und dessen Begründung steht, dass Immobilienmakler keine Provision oder sonstige Vergütung von einem Kaufinteressenten nehmen dürfen, Das soll auch dann gelten, wenn der Immobilienmakler Recherchen im Auftrag des Kaufinteressenten ausführt. Der in meinem Beispiel auswärtige Immobilienkunde, der den Makler darum bittet, vor Ort zu klären, ob ein Anbau, der Bau einer Doppelgarage, die Teilung des Grundstücks, die Umwandlung in ein Zweifamilienhaus usw. möglich sind, darf für diese Arbeiten keine Vergütung verlangen? Was denkt sich der Gesetzgeber bei dieser Regelung?
ImmobilienScout24: Hätten Käufer dann überhaupt noch einen Anspruch auf Beratung durch den Makler?
Johns: Nach den aktuellen Plänen der Bundesregierung: Nein. Bei der größten Investition, die privathaushalte üblicherweise planen, sind diese schutzlos gestellt und dürfen nicht einmal für die Beratung bezahlen. Doch, sie dürfen sich einen Anwalt nehmen, der die immobilienrechtlichen Gegebenheiten klärt. Und sie dürfen einen Immobiliensachverständigen beauftragen, der ein eigenes wertgutachten erstellt. Und sie dürfen einen Bausachverständigen beauftragen, der ein Bauschadensgutachten erstellt. Und sie dürfen einen Architekten beauftragen, der die baurechtlichen und -technischen Erfordernisse und Gegebenheiten prüft, wenn es um den Ausbau der Immobilie geht.
Nur den Immobilienmakler dürfen sie damit nicht beauftragen.
ImmobilienScout24: Was wäre Ihrer Meinung nach die bessere Möglichkeit, um die Makler und ihre Dienstleitungen zu regulieren?
Johns:
- Die Einführung der Schriftform des Maklervertrages
- Die klare Erklärung für welche der beiden Seiten (oder für beide Seiten) der Immobilienmakler tätig werden will bei Abschluss des (schriftlichen) Vertrages nach Vorbild der DIN EN 15733.
- Die Klarstellung, dass ein Provisionsanspruch für den Immobilienmakler nur dann besteht, wenn der Makler einen schriftlichen Vertrag mit seinem Auftraggeber nachweisen kann.
ImmobilienScout24: Diverse Verbände und Marktakteure fordern eine Teilung der Courtage. Wie schätzen Sie diesen Vorschlag ein?
Johns: Meine persönliche Auffassung ist, dass die Teilung der Provision in den strukturschwachen Regionen nicht anwendbar ist und deshalb an der Marktlage für viele Immobilienfirmen vorbei geht. Wie soll ein Immobilienmakler den Auftrag zur Vermittlung einer Immobilie für 25.000 Euro im ländlichen Bereich abrechnen, wenn dieser 3 Prozent vom Verkäufer nehmen darf und vom Käufer keine Provision bekommen wird, weil dieser sich dann nicht für die Immobilie interessiert?
ImmobilienScout24: Anfang Mai gab es im Justizministerium eine Anhörung zum Gesetzentwurf der Grünen. Viele Sachverständige äußerten in der Anhörung Zweifel. Die Neuregelungen seien nicht geeignet, das Ziel, die Anschaffungskosten für selbst genutztes Wohneigentum wirksam zu reduzieren, zu erreichen. Wie schätzen Sie dies ein?
Johns: Zunächst: Das Verbot einer Maklerprovision für Käufer einer Immobilie entlastet den Käufer der Immobilie, weil dieser keine Provision mehr bezahlen muss. Dieser wird demnach niedrigere Anschaffungskosten haben, wenn die Immobilie ursprünglich durch einen Immobilienmakler angeboten worden ist. Da aber auch der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nicht alle Verkaufsfälle einer Immobilie durch einen Immobilienmakler vermittelt werden, bedeutet die geplante gesetzliche Neuregelung also nicht eine Entlastung für ALLE Käufer einer Immobilie. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn der Staat die Grunderwerbsteuer völlig neu regelt und z.B. die erste Anschaffung einer Immobilie bis 500.000 Euro von der Grunderwerbsteuer befreien würde. Diese Regelung würde tatsächliche ALLE Käufer einer Immobilie dieser Kategorie entlasten.
ImmobilienScout24: Welche Risiken und Chancen sehen Sie insbesondere für Makler, wenn das Bestellerprinzip käme?
Johns: Die Einführung des im Gesetzesentwurf vorgesehenen Bestellerprinzips würde zunächst einmal dazu führen, dass keine Immobilie mehr auf dem deutschen Immobilienmarkt angeboten wird.
Zum Zweiten sind alle digitalen Anwendungen in der Immobilienvermarktung (Portale, Apps, 360-Grad-Besichtigungen, Immobilien-Videos usw.) Profianwendungen, die nur sehr wenige private Immobilienanbieter nutzen. Das wird sich vor allem bei der Vermarktung von bestehenden Immobilien in der Zukunft negativ auswirken. Die Neubauimmobilien sind von der Entwicklung nicht betroffen. Weil die Bauträger und Immobilienvertriebe nicht nur sehr professionell aufgestellt sind, sondern auch schon heute vielfach mit einer Innenprovision arbeiten.
Im Ergebnis würde die Immobilienvermarktung in Deutschland einen digitalen Rückwärtsgang einlegen. Es würden in den ersten 12 Monaten deutlich weniger vorhandene Immobilien online angeboten werden und damit ein viel geringeres Immobilienangebot publik gemacht werden, als dies bislang der Fall ist. Die Politik würde genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie will. Weniger Transparenz am Markt, geringeres Immobilienangebot. Weitere Verknappung der Ressource Wohnen. Weiter steigende Preise.
Sollte die reine Verkäuferprovision Gesetzeskraft erlangen, werden die akquisestarken Immobilienmakler weiterhin am Markt aktiv sein und das Marktgeschehen deutlicher bestimmen als bisher. Das kann zu Verschiebungen bei den Platzhirschen in den regionalen Märkten führen. Die Könige des digitalen Einkaufs von Immobilien werden voraussichtlich weiter gewinnen. Auch die farmingstarken Immobilienmakler werden ihre Marktanteile ausbauen können. Die nicht so akquisestarken Immobilienmakler werden an Marktanteil verlieren.
Die Vorbereitung auf das Bestellerprinzip gelingt am besten durch Ausweitung der digitalen Anwendungen in der Akquisition von Verkäufern und den Ausbau von Farming-Aktivitäten im direkten Umfeld der Maklerbüros. Wer ein solches Umfeld (noch) nicht hat, weil z.B. ein Stadtbüro unterhalten wird, wird sich Kontaktpunkte in Farminggebieten suchen und von dort aus die Aktivitäten intensivieren.
Sven Johns, Rechtsanwalt bei MOSLER+PARTNERRECHTSANWÄLTE in München/Berlin und langjähriger Verbandsgeschäftsführer, beobachtet politische Diskussionen heute genauso wie früher und gibt Tipps zur Umsetzung an Immobilienmakler z.B. durch seine Bücher „Existenzgründung für Immobilienmakler“ oder „Erfolgsfaktoren Immobilien“
Der Beitrag Stimme aus dem Markt: Experten-Interview mit Sven Johns erschien zuerst auf ImmobilienScout24 Blog.