Was ist eigentlich ein Digitaler Nomade? Ist ein Nomade nicht der, der seine Miete nicht bezahlt? Das ist natürlich der erste Gedanke, der uns hier in unserer Immobilienwelt in den Kopf schießt.
Wikipedia schreibt “Digitale Nomaden arbeiten typischerweise von zu Hause, im Hotel, im Café, auf dem Boot, im Internetcafé oder in öffentlichen Bibliotheken. Ihr Arbeitsplatz ist zumeist dort, wo Internetzugriff besteht. In der Regel handelt es sich um Berufszweige, die ihre Arbeit dank des Internets unabhängig von einem festen Arbeitsort ausführen können.”
Ok, soviel zur Theorie! In der Praxis gibt es im Grunde drei Sorten von digitalen Nomaden:
- Solche, die von Zuhause aus arbeiten – frei von den festen Arbeitsstrukturen eines Unternehmens. Sie könnten jederzeit von einem anderen Ort aus arbeiten.
- Solche, die einige Monate im Jahr (häufig im Winter) im Ausland unterwegs sind und ihre Wohnung währenddessen untervermieten.
- Solche, die keinen festen Wohnsitz mehr haben und mit ihrem Rucksack jederzeit den Ort wechseln, um von dort zu leben und zu arbeiten.
UNTERWEGS ALS DIGITALE NOMADIN: VIRTUELLE ASSISTENTIN TANJA BAUMANN
Stop! Leben ohne festen Wohnsitz – überall auf der Welt? Wie soll das funktionieren? Wir hier bei ImmobilienScout24 beschäftigen uns den ganzen Tag mit Immobilien, Kaufen, Mieten, Wohnen, Umziehen und wollen natürlich wissen: Wie lebt es sich eigentlich ohne festen Wohnsitz?
Wir haben dazu Tanja Baumann befragt; sie ist virtuelle Assistentin (VA) und seit 2015 auf der ganzen Welt zu Hause. Tanja ist die VA-Pionierin in Deutschland, sie ist digitale Nomadin, lebt und arbeitet an den schönsten Orten der Welt, hat keinen Chef und keinen festen Wohnsitz.
Am 16. Oktober 2015 startete Tanja in einen neuen Lebensabschnitt, ein kompletter Neustart: Mit einem kleinen Rucksack in Handgepäckgröße, einem Plan, wie man Geld verdienen kann und einer gehörigen Portion Angst startete sie Richtung Gran Canaria. Genau zwei Jahre später haben wir sie zu einem Interview eingeladen, neugierig ihren Lebensstil besser kennenzulernen.
Tanja, bitte stelle dich kurz vor. Wer bist du und was machst du?
Hallo, ich bin Tanja, 39 Jahre, selbständig als virtuelle Assistentin seit 2015 und als digitale Nomadin auf der Welt unterwegs.
Was ist eine Virtuelle Assistentin (VA)? Was macht sie genau?
Man unterstützt andere Selbständige, Unternehmer oder Unternehmen, aber auch privaten Personen bei diversen Aufgaben. Es gibt eigentlich kaum etwas, was wir nicht machen, wichtig ist nur, dass es virtuell erledigt werden kann. Die Wäsche von der Reinigung abholen geht somit eher nicht. Ich betreue mittlerweile Unternehmen, die ein Online Business aufbauen möchten bei allen notwendigen Prozessen.
Wie kamst du auf die Idee als VA deinen Lebensunterhalt zu verdienen?
Eigentlich wollte ich nur ein wenig “Taschengeld” für eine geplante Weltreise, habe aber schnell entdeckt, dass ich in diesem Beruf alle meine Leidenschaften ausleben kann. Helfen, unterstützen und selbst jede Menge lernen.

Tanjas Arbeitsplatz auf Langkawi und in Kanada.

In Berlin im Coworking Space betahaus und auf offener See mit der Nomad Cruise.
Du hast im Oktober 2015 deine Wohnung aufgegeben, um ortsunabhängig zu arbeiten. Wie bist du bei der Wohnungsauflösung vorgegangen? Nachmieter suchen war hierbei bestimmt das einfachste. Was hast du mit deinen Möbeln und allen Sachen gemacht?
Nachmieter in München war tatsächlich kein Problem. Ansonsten habe ich alles komplett verkauft. Die Küche und ein paar Einrichtungsgegenstände hat der Nachmieter übernommen. Der Rest dann nach und nach. Die großen Möbel gingen leicht über Anzeigen zu verkaufen, kleinere Dinge dann über einen Hausflohmarkt und alles, was übrig war, habe ich gespendet.
Was besitzt du aktuell an Möbeln, Kleidern und Sachgegenständen? Und wo befinden sich die Sachen?
Ich habe noch einen alten Sessel von meiner Oma, den ich irgendwann mal restaurieren möchte. Ansonsten ungefähr eine Kiste mit Lieblingsdekostücken und ca. 4 Kisten Kleidung sowie eine Kiste mit Ordnern. Das ist alles bei meiner Mutter.
Du bist nun seit 2 Jahren ohne festen Wohnsitz unterwegs. Hattest du das von Anfang an so geplant?
Ja, allerdings war es nur für ein Jahr geplant, also während einer Weltreise. Es ist für mich aber genau das richtige Lebensmodell, daher mache ich es immer noch.
Was vermisst du manchmal, wenn du an deine letzte Wohnung oder an einen festen Wohnsitz im Allgemeinen denkst?
Ich bin leidenschaftliche Heimwerkerin und in der Wohnung etwas neues zu gestalten oder einzurichten fehlt mir schon sehr. Sonst vermisse ich tatsächlich nichts.
Was vermisst du am allerwenigsten aus deinem alten Leben mit festen Wohnsitz?
Die monatlichen Rechnungen (Miete, Strom, Telefon, usw.)
Du bist in der Regel nur mit einem Handgepäckskoffer unterwegs. Was befindet sich in diesem Koffer?
Die eine Hälfte ist voll mit Kleidung. In der anderen Hälfte ist mein Kulturbeutel, 2 Paar Schuhe, Medizin und technisches Equipment.

Tanja´s kompletter Hausstand passt in einen Rucksack.
Gibt es irgendein Wohnutensil, sei es ein Küchengerät, Möbelstück oder sonstiges, dass du gerne immer bei dir hättest, wenn es transporttechnisch möglich wäre?
Milchschäumer und Smoothiemaker
Wonach suchst du in der Regel deinen nächsten Wohnsitz/dein nächstes Reiseziel aus?
Meistens ist es am Meer und wärmer. Am wichtigsten ist für mich, ob ich dort gutes Internet habe und wie hoch im Allgemeinen die Lebenshaltungskosten sind.
Was sind die ersten Dinge, die du machst, wenn du ein neues Kurzzeit-Zuhause beziehst? Hast du da typische Abläufe, um dich erstmal zu orientieren?
Alles auspacken, geht ja schnell. WLan prüfen und Umgebung erkunden.
Ist es dir wichtig, wie deine Unterkünfte eingerichtet sind? Kümmert es dich, welche Bilder an der Wand hängen, wie die Bettwäsche aussieht oder welche Farbe der Tisch hat? Wie wichtig ist dir eine Küche oder eine Waschmaschine?
Eigentlich nicht, aktuell bin ich in einer Wohnung, die eher altbacken ist (braun, gold, dunkelblau). Aber sie ist ordentlich und geräumig. Es kann auch gerne alles etwas älter sein, Hauptsache gepflegt und nicht dreckig. Küche ist für mich ein MUSS, Waschmachine ist schön, aber in vielen Ländern auch nicht unbedingt üblich.
Über welche Plattformen oder Apps suchst du in der Regel deine Unterkünfte?
Fast ausschließlich über Airbnb oder dann direkt vor Ort, wenn ich mich schon auskenne. Manchmal komme ich auch bei Freunden unter, aber ich habe lieber etwas für mich alleine.
Wie sieht das so eine typische Filtereinstellung bei der Suche aus?
Ganze Wohnung, Küche, WLan, Internet
Wieviel gibst du durchschnittlich fürs Wohnen aus im Monat?
Sehr unterschiedlich von 0 – 900 €, meine Obergrenze ist das gleiche, was ich mir in Deutschland für eine feste Wohnung an Miete leisten würde.

Airbnb Wohnungen: Tanja´s wechselndes Zuhause.
An welchem Ort warst du bisher am längsten? Gibt es einen Ort, an den du immer wieder gerne zurück kehrst?
Ich mag Koh Lanta in Thailand sehr. Aber auch auf Gran Canaria bin ich sehr gerne. An beiden Orten war ich auch bisher am längsten. Und Singapur ist eine tolle Stadt, die ich gerne nochmal besuchen möchte.
Hast du einen Ort gesehen, an dem du niemals wohnen wollen würdest?
Im Moment möchte ich eigentlich nirgends wirklich wohnen, also fest wohnen. Ich konnte es mir bisher überall schön machen und wenn es mir nicht gefällt, dann reise ich weiter.
Wo waren die Wohn- und Lebensbedingungen bisher am besten im Bezug auf Lebensmittel, Restaurants, Essen, WLAN, Menschen, Klima, Umgebung und Preisleistungsverhältnis?
Definitiv in Thailand, für die 900 € kann ich da einfach toll leben und muss nicht auf jeden Cent schauen. Ich mag das Land, die Kultur, das Essen ist klasse und es ist immer schön warm.
Wie ist es ohne feste Nachbarschaft? Bei wem leihst du dir das Mehl oder in deinem Fall wohl eher die Power Station?
Ich war schon immer eher zurückhaltend und kannte meine Nachbarn oft nicht (Schande über mich). Jetzt reagieren die Leute ja immer ganz neugierig auf mich und finden meine Geschichte spannend. Da werde ich auch oft mal so zum Essen mit der Familie eingeladen. Aber leihen musste ich mir noch nichts :0) Ich bin mit sehr wenig glücklich.
Menschen sind soziale Wesen, die sich auch gern in Gruppen aufhalten. Im normalen Leben mit Reihenhaus – jetzt überspitzt formuliert – sind das die Arbeitskollegen, der Tennisclub oder die Mamas aus der Krabbelgruppe. Wie schaffst du es ein gesundes soziales Netzwerk aufzubauen und aufrecht zu erhalten?
Wie eben schon gesagt, ich bin eher zurückhaltend und bin auch gerne für mich alleine. Aber die Gemeinschaft aus digitalen Nomaden ist sehr groß und man trifft überall sehr schnell neue Menschen, wenn man das möchte. Ich muss nur in ein Coworking Space gehen und schon hat man Kontakt. Mittlerweile habe ich auf meinen Reisen auch tolle Menschen kennengelernt, zu denen sich eine Freundschaft entwickelt hat. Wir treffen uns einfach dann auf der Welt oder machen gemeinsame Reisepläne. Auch zu meinen früheren Freunden habe ich weiterhin Kontakt. Jeder ist nur ein Anruf entfernt.
Was bedeutet für dich zu Hause sein?
Zuhause ist dort, wo ich bin und mein Herz sich wohlfühlt. Es ist der Ort, an dem ich liebe Menschen wieder sehe, Sand unter den Füßen spüre und neue Kulturen kennenlernen kann. Ich schätze mich glücklich, dass ich mittlerweile mehr als einen Wohlfühlort habe.
Das war ein spannender Einblick in Tanjas außergewöhnliches Leben. Wie sieht es bei dir aus? Kannst du dir vorstellen, ohne festen Wohnsitz in der ganzen Welt zu Hause zu sein?
Wenn dich jetzt die Open-End-Reiselust gepackt hat, dann kannst du hier einen Nachmieter für deine Wohnung finden – im Oktober 2017 sogar kostenlos!
Der Beitrag Digitale Nomaden: Wie wohnt es sich eigentlich … ohne festen Wohnsitz? erschien zuerst auf ImmobilienScout24 Blog.